Von Styleguides
und Fehlerteufeln

Unsere Korrektorin und Expertin für Sprache Anuschka Pfammatter berichtet über ihr Einfühlungsvermögen in Texte, die Arbeit mit unterschiedlichen Sprachniveaus und Hitlisten der besonderen Art.
Veröffentlicht am 1. April 2022

Anuschka, worauf freust Du Dich im Sommer am meisten? Aufs Grillieren oder Grillen?
Aufs Grillieren. Ob das in einem Auftragstext, den ich korrigiere, auch so steht, hängt vom Kontext ab. Grillen wäre DACH-Sprachraum-konform.

Womit wir gleich in medias res sind. Wonach richtest Du Dich beim Korrigieren von Texten?
Nach den Wünschen und Vorgaben der Kund:innen: Wie lautet der Auftrag? Gibt es einen Styleguide? Für welches Sprachniveau muss der Text funktionieren? Welche Aussage hat der Text? An welche Zielgruppe richtet er sich? Das alles gilt es zu beachten. Bei unseren festen Kund:innen weiss ich, was gewünscht ist. Bei Einzelaufträgen mit jeweils anderen Vorgaben muss ich mich einarbeiten.

«Mit Sprache arbeiten und mit jedem Text dazulernen – das finde ich toll.»

Anuschka Pfammatter

Wie bist Du zur Korrektorin geworden resp. wann hast Du Dein Faible für die Sprache erkannt?
Das war eher zufällig. Mein Partner hatte einen Kunstbuchverlag und ich korrigierte da ab und zu Rechtschreibfehler. Meine ersten eigenen Aufträge waren ein Magazin für Recht und Politik und (bis heute) das Schulblatt des Kantons Zürich – alles nebenbei, denn ich war hauptberuflich Zeichenlehrerin an einer Schule. Nach zehn Jahren Lehrberuf orientierte ich mich neu, heuerte bei der Wirtschaftszeitung CASH an, wechselte bald zu den AZ Medien und machte den Korrektor:innenfernkurs. Den Beruf Korrektor:in gibt es so nämlich nicht, du erarbeitest dir alles autodidaktisch. Seit siebzehn Jahren bin ich nun hauptberuflich Korrektorin. Heute bei Edupartner und relativ neu als Freelancerin bei der Textagentur Supertext.

Das Bildungsumfeld ist also der rote Faden Deiner bisherigen beruflichen Karriere …
Ja, unbedingt. Es ist vielfältig und spannend und ich lerne während ich an Texten arbeite fortlaufend dazu. Ich finde, alle Menschen sollten Zugang zu Sprache, Text und Inhalten haben. Als Sprachexpertin leiste ich dazu meinen Beitrag. Ich kann mich gut in Schüler:innen hineinversetzen, Unstimmigkeiten erkennen und verstehen, wie Fehler beim Erarbeiten von Lernmedien entstehen können. Mein Motto ist «Reduce to the max» – Einfachheit hat mich schon immer interessiert.

Ich absolviere gerade einen E-Learning-Kurs «Plain Language für Deutsch (Schweiz)». Unter «Einfacher Sprache» versteht man das Sprachniveau B1, das 95% der Menschen verstehen (das ist wissenschaftlich erwiesen). Vor ein paar Jahren absolvierte ich eine Weiterbildung in «Leichter Sprache». Bei dieser Sprachgattung geht es darum, einfachste verständliche Texte zu verfassen. Hier gelten andere Regeln, beispielsweise, dass es nur eine Aussage pro Satz geben darf. Es geht also um Inklusion über die Sprache, da die Texte für Menschen mit Beeinträchtigungen verfasst werden.

Auch und vielleicht gerade bei Bildungsmedien gibt es verschiedene Sprachniveaus.
Stimmt. Das hängt natürlich ganz stark von der Zielgruppe ab. Das Niveau der Lernenden oder Lesenden bestimmt das Sprachniveau. Ein Text für Auszubildende in einer Lehre hat ein anderes Niveau als einer für ein berufsbegleitendes Studium im Jura-Kontext. Das ist oft ein Spagat, da die Vielfalt der Sprache erhalten bleiben soll und gleichzeitig die Zielgruppe richtig angesprochen werden muss. Am wichtigsten sind hierbei meistens zwei Dinge: Kongruenz und Authentizität. Es muss zum Fachgebiet passen sowie zum Alltagsgebrauch mit seinen Begriffen und Formulierungen.

«Ein schöner Spagat: Die Vielfalt der Sprache erhalten und gleichzeitig die Zielgruppe ansprechen.»

Anuschka Pfammatter

Hast Du Lieblingsfächer?
Das Wissensspektrum im Bereich Pflege von Chemie und Medizin über Palliative Care bis zur Homöopathie spricht mich besonders an. Bei Themen wie Controlling und IT mit den vielen Zahlen und der Logik wird sichtbar, dass Korrektor:in ursprünglich ein visueller Beruf war. Ein Text ist auch ein Schriftbild, das wir beim Lesen visuell erfassen – die Typografie ist heute noch ein starker Impulsgeber. Am Thema Recht mag ich die komplizierten Formulierungen, die mich in der Grammatik herausfordern. Management ist nah am Alltag (manches kann ich gleich anwenden) und bei den Naturwissenschaften gibt es lässige Fotos (die kann ich geniessen, na ja, die Legende muss natürlich schon stimmen).

Das hört sich nach einer grossen Vielfalt an. Schwirrt Dir da nicht ganz schön der Kopf?
Ich find’s toll! Die inhaltliche Vielfalt, unterschiedlichste Aufträge – und dann tauche ich ab in den Inhalt. Jeder Wissensbereich hat seine Fachbegriffe – ist der Duden massgebend oder ein anderes Wörterbuch, stimmen Jahreszahlen (hier hilft Wikipedia), was gibt der Styleguide alles vor oder gibt es eine Hitliste mit Helvetismen (gibt es wirklich), die systematisch gesucht werden sollen?

Die Vielfalt impliziert natürlich die Programme, in denen ich arbeite: Word, PDF, InDesign oder das Redaktionssystem Xpublisher. Je nach Kund:in, Auftrag und Wunsch. Auch hier lerne ich gern dazu.